Wie kann man sich die Arbeit eines Volunteer vorstellen? Was macht man als Freiwilliger in Ghana in einem Waisenhaus?
Ich versuche mal einen kleinen Einblick in die Freiwilligenarbeit zu verschaffen und schildere einen „typischen Tag im Leben eines Volunteers“.
Dieser Tag fängt meist ungewollt gegen 4 Uhr an. Es folgt das erste Wecken mit dem Morgengebet, das kaum überhörbar von der nächst gelegenen Moschee erschallt.
Ich habe ja nichts gegen andere Religionen, aber es muss nun wirklich nicht sein, dass man um 4 Uhr morgens muslimische Gebete in monotoner Tonlage durch immens laute Lautsprecher für alle im Umkreis von mindestens 10 km hörbar verkündet
Der zweite Weckruf erfolgt dann eine Stunde später.
Nun meldet sich mit einem lauten „Kickeri-Ki“ ein stolzer Hahn zu Wort. Und nicht nur einer. Nein. Da fast jede ghanaische Familie ihre eigenen Hühner besitzt, krähen die Hähne der Nachbarschaft um die Wette.
Zwischen 6.30 und 7.00 heißt es dann, raus aus den Federn, fertig machen, frühstücken und los zur Arbeit. Von meiner Gastfamilie sind es ca. 20 Minuten Fußmarsch zur Tro-Tro Station.
Auf dem Weg dorthin empfiehlt es sich, sich schon mal mental auf sämtliche ghanaischen Passanten einzustellen, denen man begegnet und die wie immer schon von weitem die Standardfragen rufen. „Hello Obruni, How are you, What is your name, where do you come from, where are you going?“.
Die Straßenverkäufer sind ebenfalls schon aktiv und aus Lautsprechern ertönt laute Musik.
An der Tro-Tro Station angekommen herrscht wie immer ein Stimmen-Wirrwarr. Jeder preist seine Zielstation mit lauten Rufen wie ein Marktschreier an. Nun heißt es das richtige Tro-Tro finden, welches in Richtung Waisenhaus (Akwaba) fährt. Man fragt einfach jedes Tro-Tro, das vorbeifärt.
Meist wird man nach vier bis fünf fragenden Rufen fündig und los geht’s. Die Fahrt dauert etwa eine halbe Stunde, die man meist eingequetscht zwischen seinen Sitznachbarn in einem nicht mehr TÜV-fähigen Tro-Tro-VW-Bus verbringt.
Wer bis dahin noch ein Morgenmuffel war, sollte das spätestens an dieser Stelle überwunden haben. In Ghana ist kein Platz für schlechte Laune am Morgen. Und mit einem inneren Lächeln lässt sich dieser morgendliche Ablauf prima ertragen.
Im Waisenhaus angekommen wird man schon von den Kindern begrüßt.
Die Größeren gehen zur benachbarten Schule und wir Volunteers kümmern uns so lange um die Kleineren. Daneben haben wir aber auch die eher profanen Aufgaben zu erledigen, wie Geschirrwaschen, Fegen, Wischen oder Kleiderwäsche. Natürlich gibt es weder eine Spül- noch eine Waschmaschine. Da ist noch echte Handarbeit gefragt.
Neben uns Volunteer arbeiten hier auch noch andere Ghanaer, die sich primär um das Essen kümmern. Allerdings ist die Aufgabenteilung nicht so ganz klar.
Es soll auch eine Frau geben, die die Babys wäscht und die Windeln wechselt. Allerdings passiert es sehr oft, dass die Kleinen keine Windeln anhaben, wenn wir morgens kommen.
So weinte die kleine Mia eines Morgens. Und ich wusste nicht warum. Sie zeigte auf ihren Rock. Als ich diesen hoch hob, hatte ich ihr „großes Geschäft“ an der Hand. Da heißt es Ruhe bewahren, den Bottich mit Wasser füllen, die Kleine baden und Windeln anziehen.
Keine Pampers, wie wir es gewohnt sind. Es gibt zwar Einwegwindeln in Ghana, diese sind aber ziemlich teuer. Daher benutzen wir im Waisenhaus Leinenwindeln.
Und mit der Zeit habe ich mich sogar zu einer Expertin im Windelwechseln entwickelt.
Es gibt nicht viel Platz für die Kleinen, wo sie sich aufhalten können. Lediglich eine kleine zementierte überdachte „Terrasse“. Hier halten wir uns am meisten auf.
Ansonsten findet man überwiegend sandigen Boden vor, wo sich die Kleinen, jedoch beim Krabbeln die Knie aufschürfen.
Essen für die Schulkinder wird in einem großen Schulsaal ausgegeben.
Als wir ankamen, waren nicht genügend Teller für jedes der Kinder vorhanden. So musste die Hälfte der Kinder mit dem Gesicht auf den Tischen gebeugt in Stille warten, während die anderen aßen, bis der Rest fertig war um deren Teller zu benutzen. Das war kein schöner Anblick. So beschlossen Helen und ich auf dem Markt Teller zu kaufen, so dass alle Kinder nun gleichzeitig essen können.
Die Kleinen essen auf dem Boden. Meist gibt es Reis in einer Schüssel, aus der alle Kleinkinder essen.
Gefüttert wird mit den Händen. Jedoch immer die rechte Hand benutzen.
Da die Kleinen oft so hungrig sind, geht ein großes Geschrei los, sobald sie das Essen sehen. Und es passiert nicht selten, dass die Kinder um das Essen streiten.
Man kann nicht gerade behaupten, dass die Ghanaer einen Sinn für Ordnung haben. Eher im Gegenteil. Alles liegt irgendwo herum und es wird immer nach Dingen gesucht, die oft auch einfach „verschwinden“. Wenn man Glück hat, tauchen diese irgendwann mal wieder auf.
So waren unsere Fragen meist: „Wo sind die Windeln? Wo ist der Besen, Wo ist die Seife? Wo ist der Bottich, um die Kinder zu waschen, Wo ist der Wischmob?“
Es wäre auch ein leichtes gleich nach dem Essen die Teller wegzuräumen. Aber das kann man ja auch später machen. So lecken die Ziegen die Reste von den Tischen und den leeren Tellern, die noch im Speiseraum stehen. Überall wimmelt es von Fliegen.
Die Zustände im Waisenhaus sind nicht annähernd zu beschreiben. Nach einem Volunteer Tag hier wünscht man sich sehnlichst eine Dusche, denn es fühlt sich überall dreckig an. Als Volunteer muss man jeglichen Ekel ablegen.
Die Kinder sind schmutzig, überall wimmelt es von Fliegen, die Ziegen, Katzen und Hunde laufen frei herum. Man muss immer aufpassen, dass man nicht in die „Scheiße“ läuft.
Doch trotz all dem Dreck und Ekel und der traurigen Bilder, die man tagtäglich sieht, ist es nicht mit Gold aufzuwiegen, was man fühlt, wenn man in die lachenden und dankbaren Kinderaugen blickt. Ich möchte keinen dieser Momente missen.
Mittwoch, 16. Dezember 2009
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